Israel-kritische Leserbriefe
Erschienen im Reutlinger Generalanzeiger am 03.01.2004
Betr: Israel-kritische Leserbriefe
Mit Besorgnis nehme die wachsende anti-Israel Gewichtung Ihrer Zeitung zum Thema Nahost, sowohl in der Art der Berichterstattung, sowie in einer Häufung anti-Israel-Leserbriefe, wahr. Ich finde es erstaunlich, wie die erklärten Versuche Islamischer Fundamentalisten, den winzigen Staat Israel auszulöschen - und zwar durch eine Art von Bestialität und Terror gegen unschuldige Zivilisten, die seinesgleichen sucht in der Weltgeschichte -sowohl in der Wort- wie auch in der Bildwahl der westlichen Medien zunehmend heruntergespielt bzw verharmlost wird, die israelische Reaktion auf diese Angriffe dafür als unberechtigte Aggression hochgespielt.
Es ist mir klar, dass nicht jede Kritik gegen die israelische Regierung gleich als Antisemitismus zu verdächtigen ist. Mich belastet aber der Gedanke, dass das "braune" Gedankengut, das letztlich beinahe zum Untergang unseres Volkes und unserer Kultur geführt hätte, vor 60 Jahren sehr ähnliche Anfänge hatte, wie wir sie auch jetzt erleben: die Juden werden - ungeachtet irgendwelcher Fakten der Geschichte - grundsätzlich als "Tätervolk" abgestempelt, Verteidigungstaktiken, die in jedem anderen Land in vergleichbaren Umständen als nachvollziehbar und notwendig gelten würden, werden als "Terror" bezeichnet, bis dahin, dass tatsächlich viele Europäer in Israel eine Gefahr für den Weltfrieden sehen. Daß gerade wir als Deutsche den Israelis eine Verteidigung nicht gönnen, nach der wir selber hysterisch schreien würden, wären wir selber solchen willkürlichen Blutbädern in unseren Städten ausgesetzt, ist eine Unverschämtheit, die geradezu peinlich ist.
Und all das, obwohl wir (anders als unsere Väter und Großväter der Hitlerzeit, die nur mit vagen Ahnungen leben mussten und erst hinterher die Bilder dazu geliefert bekamen) Tag für Tag mit den grauenvollen Bildern des von den Selbstmordterroristen ausgelösten Blutbädern konfrontiert werden. Lassen Sie uns bitte aufpassen, dass Kritik an die Israelis, egal was sie in ihrer zermürbenden Situation machen, nicht der alte braune Geist in neuer Aufmachung ist. In der letzten Runde sind wir nicht sehr gut damit gefahren.
M.M.
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